A Walk on the Wild Side... Images [2012-09-09]

 

 
 

Diese Woche [2012/08/V]: Medienkritik.



Diese Woche [2012/08/V]: Medienkritik.
(All die aufgestaute, all die nutzlosen Bilder, vier Nächte, sechs Tage ohne Schlaf.)

Kult ohne Gnade: Die Pyramide“, ZDF, Mo - Fr 16:15.
In seinem unerbittlichen Versuchen, sich für ein jüngeres Publikum zu re-generieren, haben die Macher vom Zweiten Deutschen Fernsehen wieder einmal mehr als Mut bewiesen und beherzt in die eigene Vergangenheit gegriffen: „Der Kult kehrt zurück: ‚Die Pyramide‘“ heißt es ab sofort montags bis freitags, nach der Parade von Spitzenköchen, bei denen vor allem das eigene Ego mitkocht.
In einem Studio, das strotzend von mit Leuchtstoff illuminierten (sic!) Pyramiden aussieht, als hätte eine Horde von Praktikanten das Originalsetting in den vergangenen Jahren (die ohne Kult) dem aktuellen ZDF-Design gemäß angepasst, abgerundet, glatt geschliffen und mit einem grellem Orangeüberzug ausgestattet. Mitrecycelt wurde offenbar auch der Moderator Micky Beisenherz, ebenso glatt geschliffen, ohne eine Stärke des Ausdrucks, dafür bisweilen mit dem Unterhaltungsformat sichtlich überfordert wirkend. Was wundert, kennt man doch auch diesen wieder als Moderator und Autor diverser privatfernsehlicher Formate. Ein Fundus, dessen sich man beim Zweiten ja gern bedient und in steter Mission einer Verjüngungskur immer wieder diejenigen abwirbt und zu den Zukunftsträgern kürt, die dort längst abgelebt wirken. Und sie dann kochen, Wetten, dass..? moderieren und/oder hübsch hochstocksteifdeutsch daherfloskeln lässt. Im Vergleich zu solch Offensivelend hält sich der wackere Knappe Beisenherz recht tapfer, aber offenbar auch nicht gänzlich von diesem überzeugt, hat man ihm von Seiten der Macher vorsorglich und als echte Innovation einen Schiedsrichter zur Seite gestellt: Joachim Llambi, seines Zeichens und in dieser Rolle als verbaler Vollstrecker auch noch kaum Einem bekannt. Zumindest, als Gebührenbewusster, der nur das Öffentlich-Rechtliche und nichts anderes guckt. Und das Prinzip der Sendung, wie es der Videotext lakonisch zusammenfasst: „Ein Kandidat erklärt Dinge, die ein zweiter erraten muss.“ dann als spannend, der Zeit angemessen, ja, gar als Nerven aufreibend erachten muss. Und sich vielleicht nicht fürchtet, die auch in einem Nach-20-Uhr-Szenario tunlichst zu vermeidenden Gesichter von etwa Jan Hofer oder Birgit Schrowange hier schon durch den frühen Feierabend geistern zu sehen. Diese gelten hier als „Prominente“ und stehen als solche ausgezeichnet jeweils einem Normalo zur Seite (oder im Wege), wenn dieser ihnen auf der Jagd nach ein paar abgezwackten Gebührengeldern „Dinge erklärt“, die die diese „erraten müssen“. Bevor diese ihrerseits ihm dann „Dinge erklären“, die er dann – Sie ahnen es! – „erraten muss“. Noch nie wurde die menschliche Sinnsuche und deren Vergeblichkeit in bedrückenderer Biederkeit illustriert, dem nur eins Abhilfe schaffen kann: Die auch um diese Tragik, weil allwissende Hoheit Wikipedias, das doch tatsächlich noch alle prominenten Gäste, angefangen von 1979 bis dato, aufzulisten weiß. Wer je an der Sinnhaftigkeit eines Nachschlagewerks, an dem jeder mitschreiben darf, gezweifelt hat, sei hiermit eines Besseren belehrt.


Gehirne in die Hand: „Prometheus“ oder „Total Recall“?
Während das hinter vorgehaltener Hand Prequel genannte „Prometheus“ mir in den meisten Kritiken zu zahm betrachtet wird (bis auf wenige Ausnahmen), scheint die wiederum Remake genannte Wiederverfilmung eines Films schon von vornherein zum Abschuss freigegeben. Was ich ein bisschen ärgerlich fand, hatte ich mich trotz allen Unkenrufen doch für wenig Geld vor die Leinwand gewagt. Und bin angenehm überrascht worden: Selbstredend, man nimmt auch hier Jessica Biel nicht eine Sekunde ihre Action-Rolle ab, klingt doch bei jedem ihrer Auftritte das religiös-fundamentalistische Echo jener himmlisch-dauerheiteren Familienserie nach, in der schon bereits der Genuss von Kaffee fast ein Einstieg in eine grobe Drogenkarriere darstellte. Und, klar, wird hier Bill Nighy weit unter Wert verkauft. Und, ja, Len Wiseman, verantwortlich für das „4.0“-Update von „Stirb langsam“ und als Regisseur und Drehbuchautor u. a. auch für die „Underworld“-Reihe (weshalb seine Ehefrau Kate Beckinsale auch diesen Film ziert) ebenso involviert, erfindet die von Paul Verhoeven 1990 bereits adaptierte Philip K. Dick-Geschichte nicht komplett neu. Warum aber auch?
An mindestens zwei Stellen referiert er auf diesen sogar explizit, wenn der Hauptdarsteller Colin Farrell sich ein Leben auf den Mars wünscht oder die physischen Vorzüge einer gewissen jungen Dame zitiert werden. Das ist ein Augenzwinkern, eine Referenz an oder auch Verneigung vor dem Original. In diesem war es noch Arnold Schwarzenegger, der durch eine von Visual Effects-Handwerk, nicht schnöder Rechentechnik animierte „Muppet-Show“, bei der der extensive Einsatz von Greenscreens oder von Computern generierter Effekte noch in der fernen Zukunft eines „Terminator 2“ im nächsten Jahr lagen. Will heißen: State of the Art, wie es einige Kritiken in ihrer Vergangenheitsversonnenheit sich selbst einreden, war Verhoevens-Film schon da nicht. Im Gegenteil, wirkt er in seinem kruden Mix aus übertriebener Gewaltdarstellung und oft unfreiwillig komischen Szenen fast schon wie eine Parodie auf die wirklichen Perlen des Science-Fiction-Genres.
Aber auch wenn man Puppen- und Stop-Motion-Technik auch heute noch freundlich gestimmt ist, muss man aus schnöder Nostalgie und falschem Konservativismus die CGI-Welt, in die Wiseman seinen „Douglas Quaid“ katapultiert, nicht schlechter finden. Zwar verpasst auch sein Film wieder, das Unerhörte, ein Mensch, der sich in einem Vexierspiel um die Manipulation seiner Erinnerungen letztlich schafft, sich seinem wahren Selbst zu nähern, gegen die alte Idee des Idealismus (das auch am Abspann noch), alles nur Vorstellung gewesen sein könnte, auszuspielen. Aber dieses Spiel mit der menschlichen Wahrnehmung haben ja bereits die „Matrix“-Filme ausgelutscht, in denen Keanu Reeves, der Mann den genau zwei Gesichtsausdrücken, durch drei Aufgüsse irrt, für die es gereicht hätte, ein Kapitel bei Hilary Putnam zu lesen: die Gehirne im Tank.
Ohne solch intellektuellen Aufwand, aber auch dankenswerterweise ohne die Szene aus dem Original von 1990, in der sich Arnie allen Ernstes ein nasses Handtuch (!) um den Kopf wickelt, um eine gigantische Sonde, die er sich später selbst aus der Nase zieht, zu wiederholen, hat „Total Recall“ anno 2012 andere Qualitäten:  Allein schon das Setting, die Kulissen, ein nach oben aufgestocktes (hier könnte man mit den Worten „Überbau“ oder auch den „upper classes“ spielen) und damit riesiges London und, auf der anderen Seite des Globus, ein nur mehr „Kolonie“ genanntes Australien sind des Sehens wert und entschädigen schon dafür. Besonders Letzteres, ein Arbeiterslum, das durch den ewigen Regen und seinen asiatischen Touch, insbesondere in den Vergnügungsvierteln, fast wie ein „Blade Runner“-Zitat wirkt. Vergleicht man diese Mikrokosmen mit dem letztlich leeren Gigantismus von „Prometheus“, Computer generiert oder nicht, dann sind diese doch genau wie der Mars im „Total Recall“-Original vorzuziehen. Zumal einem wie bei Ridley Scott der 3D-Brillen-Aufpreis erspart bleibt: Welche (ich schrieb es schon) aus einem schlechten Film eben keinen besseren zu machen vermögen: „Prometheus“ ist eine blutleere Pilgerfahrt ins Nichts, und wird wohl zu Recht jetzt nicht als Prequel zu einem Klassiker wie „Alien“ beworben. Statt einem Kammerspiel mit wirklichen Protagonisten, die sich gegen eine fremde Intelligenz erwehren müssen, gibt es ein wüstes, ausuferndes Setting mit einem wüsten, arg vorhersehbaren Plot und, das ist am enttäuschendsten, Außerirdische, die trotz CGI-Rechenkraftaufwand dann einfach nur aussehen wie farblose große Menschen. Einziger Lichtblick: Michael Fassbender. Aber das will schon was heißen, wenn die einzige, an sich emotionslose, künstliche Lebensform an Bord es rausreißen soll. Spätestens beim „Im Jahr des Herren“ im Abspann möchte ich dann doch vorzeitig gehen.
Liebster Moment in „Total Recall“ hingegen: wie eins der Zukunfts-Emo-Kids versucht Colin Farrell sein schickes Handtelefon abzuquatschen. Manche Dinge bleiben sich gleich.

Krude Orgasmen für die Massen. Und auf Plüsch: „Ted“.
Spätestens beim ersten Auftritt von Giovanni Ribisi – hier als eine wenig schillernde, fast verwitterte Vaterfigur – ist klar, dass Handlung in diesem Film eine doch eher untergeordnete Rolle spielen wird. So lieblos skizziert, beinahe konturlos ist der Bösewicht in spe bereits da: In etwa die grundharmlose, allein erziehende Reinkarnation „Buffalo Bills“ aus „Das Schweigen der Lämmer“, der sein bestes Stück nicht zwischen den Beinen versteckt, sondern dazu genutzt hat, sich einen fast bedrohlicher wirkenden adipösen Sidekick zu seiner müden Adaption „des Bösen, akzeptabel für das Familienkino,“ hinzu zu erschaffen. Das wirkt so aufgesetzt, so ex machina, wie die insgesamt arg vorhersehbare Geschichte ebenso dahin treibt, auf ihr ebenso erwartbares Ende hin. Aber einen sonderlich anspruchsvollen Plot erwartet auch niemand von Seth MacFarlane auf der Großen Leinwand, wenn er die von ihm inszenierten (US-)Zeichentrick-Serien „Family Guy“ oder „American Dad“ kennt. Oder, spätestens, seit der zweiten Hälfte des Trailers weiß, dass dem Held des Films, Mark Wahlberg, ein animierter Teddybär als „Donner-Buddy“ zur Seite gestellt wird. Der in der US-Version Seth MacFarlanes Stimme hat, die hierzulande Jan Odle, der auch MacFarlane als „Peter Griffin“ in „Family Guy“ synchronisiert, übernimmt. Oder er weiß, dass in der Originalversion Mila Kunis oder der auch zum Cast des Films gehörende Patrick Warburton Figuren aus dem MacFarlane-Universum bereits ihre Stimme leihen. Denn damit ist der Erwartungshorizont abgesteckt: MacFarlane hat nichts anderes als eine Episode „Family Guy“ oder „American Dad“ ausgedehnt auf einen abendfüllenden (nur mehr teilanimierten) Realfilm. Nur, dass es hier eben nicht der gewöhnliche, leicht debile oder auch nur paranoide Familienvater ist, mit oder ohne Verbindung zum US-Militär, dem ein sprechendes Haustier oder extraterrestrischer Besucher, mithin zugedröhnt, als Buddy zur Seite gestellt wird, sondern ein flauschig animiertes Stück Plüsch Mark Wahlberg als ganz normalem Typ von Nebenan. Der Rest ist in etwa der auch in diesen Serien zelebrierte, durchaus recht derbe Humor, der so gern auf den (US-amerikanischen) Zeitgeist referiert. Anders aber als in den eben primär für‘s US-Fernsehen produzierten Serien gerät dies nicht so anstrengend, wie mitunter selbstreferentiell: Es hagelt Filmparodien, Anspielungen auf besagtes Fernsehen und Serien, insbesondere die der frühen achtziger Jahre (der Jugend des 1973 in Kent, Connecticut, geborenen Seth MacFarlanes und seiner Figur John Bennett, der zur Weihnacht 1985 als Junge seinen alsbald zum Leben erwachenden neuen Freund bekommt), werden dabei kolportiert. Es gibt Angriffe auf ethnische, religiöse Minderheiten, sowohl verbal wie auch tätlich, wie auch den zur Schau gestellten Konsum von Drogen oder ganz offene Prostitution, die natürlich besonders dem prüden Zerrbild eines US-Alltags und dessen vorgeblicher Political Correctness notorisch zuwider laufen. Doch wo Matt Groenings „Simpsons“ es sich leisten, diesen dann und wann ironisch zu hinterfragen, etwa wenn als Running Gag ein dreiäugiger Fisch die Gewässer um das mit einem Atomkraftwerk aufwartenden Springfield bevölkert oder die berühmte Couch-Anfangssequenz gar dem Streetartkünstler Banksy überlassen wird, der prompt Marketing und Produktion der ebenfalls für FOX produzierten Serie karikiert, gibt es diese Ebene kritischer Reflexion, diesen leicht subversiven Charme, hier selten bis gar nicht. Statt Hintersinn liefert das MacFarlane-Universum die Haudraufkeule, Schlag auf Schlag, rundum: Das mag in den geringsten Momenten einfach nur anzüglich sein, mithin sexistisch, rassistisch oder auch nur widerlich. Anarchisch mag das manch einer vielleicht dann gar finden. Etwa wenn sich der Bär plötzlich im Infight mit dem in die Szene entlassenen Federvieh befindet, das das in dieser Episode unvermittelt auftauchende Klischee eines wütenden Nachbars asiatischer Herkunft, der – natürlich – gerade dabei war, dieses sich zuzubereiten, auf ihn loslässt. Oder wenn der Plüschbalg in seinem Balzverhalten an einer Supermarktkasse gar soweit geht, das von Erfolg gekrönte Ende dieses vorweg zu nehmen, und mit Handseife als Ejakulatersatz einen Cumshot simuliert. Letztlich leistet MacFarlane hiermit nur eine ins Groteske überzeichnete Korrektur des erwähnten Zerrbilds und zeichnet einen American Way of Life, der sich schlussendlich eben mit weniger zufrieden gibt. Oder, besser, sich zufrieden geben muss. Denn anders als Groening und seine „Simpsons“, die wohl auch darum von einem breite(re)n Publikum abseits des Personals, dessen sie sie sich bedient – der unteren US-amerikanischen Mittelschicht – Ansehen genießt, machen sich die Serien MacFarlanes nur mit diesem Publikum als Ziel gemein. Das kann in Sitcoms wie „Alf“, „Roseanne“ oder „King of Queens“, die ein ähnliches Milieu zeichnen und bedienen, durchaus mit dramatischen Elementen durchzogen sein, die auch ein bisschen Lebenshilfe liefern, indem sie Konflikte auch des dem Zuschauer bekannten Alltags nachfechten. Im simpelsten Fall sind sie aber – wie „Ted“, „Family Guy“ oder „American Dad“ – vor allem eins: Unterhaltung, ein Lichtblick, diesem Alltag für ein paar Minuten Heiterkeit entfliehen zu können.
Bester Moment: Allein schon die Kinder- und Jugend(foto)sequenzen, die eine „Vorgeschichte“ generieren, sprich Lücken füllen, und etwa „E.T.“ oder „Yoda“ verballhornen, dürften Ansporn gewesen zu sein, diesen Film überhaupt zu machen. Skurril und doch sehr komisch: Ryan Reynolds Cameo als ausgerechnet prügelnder Homosexueller. Das entschädigt fast für all die Momente, wo despektierlich über Frauen und misogyn dahergeredet wird.

Apropos Giovanni Ribisi, Kino in Kürze: Die dann wirklich beste Komödie des Sommers stammt leider wieder nicht aus dem Judd Apatow-Universum, und damit auch nicht aus Feder von Jason Segel und Nicholas Stoller. Denn trotz Segel, Emily Blunt und Rhys Ifans u. a. als Darsteller ist „The Five-Year Engagement“ (dt.-dümmlich: „Fast verheiratet“) leider ein sehr langer, unausgegorener Film geworden, der das Versprechen des Trailers, was die Dichte an Gags angeht, leider nicht einzulösen vermag, hingegen aber auch leidlich wenig rührend ist, um über dies hinweg zu täuschen.
Daher keine Bedenken, den Preis einem Film zu überlassen, der zwar nicht als lupenreine Komödie daherkommt, da er auch leicht unterschwellig politisch-sozialkritische, subversive bis hin schier absurde Inhalte vermittelt. Unter anderem gibt es eine Liebesszene mit Heard und Hitler, wie erwähnt Giovanni Ribisi, den ich erst bei seinem zweiten Auftritt überhaupt als diesen erkannt habe, und einen Johnny Depp, der einen zu (Lach-)Tränen rührt, wenn er noch einmal in ein Alter Ego seines Freunds Hunter S. Thompsons schlüpft, das in „The Rum Diary“ Paul Kemp heißt, 1959 die puerto-ricanische Hauptstadt San Juan bereist und aus Hunters erstem, lange verschollenem Roman adaptiert wurde. Ein sehr schönes Wiedersehen mit „dem Colonel“.



Abschließend sei noch die wichtigste Streitfrage der besten Comic-Verfilmung geklärt: „The Amazing Spider-Man“ vs. „The Dark Knight Rises“.
Obwohl Christopher Nolan zu Gute zu halten ist, die beste, mithin düsterste und psychologisch raffinierteste Adaption des selbst ernannten Rächers mit den dunklen Schwingen erschafft zu haben und ich anfänglich doch sehr skeptisch war, ob es bereits jetzt wirklich einer Neuadaption „Spideys“ mit „dem Typen aus ‚The Social Network‘“ bedurfte, geht dieser Preis doch klar an „The Amazing Spider-Man“. Marc Webb, der schon mit „(500) Days of Summer“ rührte, aber eben nicht anbiederte, gelingt dies bei seiner Neuerzählung, wie aus Peter Parker „die Spinne“ wird, wieder: Und dies auch psychologisch weit interessanter als der Sonny Boy, den Tobey Maguire in den Sam Raimi-Filmen mimt, der immer erst und dann wirklich nervig markige Sprüche am Dauerband abgibt, wenn er sich sein Kostüm übergestreift hat – in etwa das Äquivalent zu Christian Bales albern tief verstellter Stimme, wenn er „Batman“ ist. Andrew Garfields „Peter Parker“ ist da authentischer: von Anfang aufrührerischer, ein Waisenkind, Außenseiter und neuerdings, aber zu verschmerzen, auch Skater. Nun gut, dies trifft bis auf Letzteres auch auf Bruce Wayne zu, was diese aber unterscheidet, sind ihre Gegenspieler und die geraten, da Nolans Streifen den Plot des ersten Teils seiner Trilogie wieder aufgreift, zu Karikaturen, deren Motivation (bis auf bloße Rache) schier unverständlich bleibt und die darum ab und an auch etwas unfreiwillig komisch geraten. Wer nicht, als „Bane“ über das Überstreifen seiner Maske sinniert, an kleine Berliner-Hinterhof-Rapper und ihr „Mein Block“-Gehabe kichern muss, nimmt dieses Comic-Universum schier zu ernst. Dem gegenüber wirkt die fast ebenso unbehänd animierte, dort fast wie „Bane“ agierende „Echse“, eben wie das, was unter ihrer CGI-Haut tickt: ein sympathisch-faustisch getriebener, von Rhys Ifans gespielter, fast zu sanfter „Dr. Curt Connors“, dessen Motivation und Wandlung der Zuschauer nicht einfach als Fakt gegeben betrachten muss, sondern nachfühlen kann (was, nebenbei, auch schon Alfred Molina als „Dr. Otto Octavius“ in den Raimi-Filmen vor den Plastegesichtern anderer Schurken auszeichnete). Hinzu kommt, dass „The Amazing Spider-Man“ etwas schafft, was mich zutiefst verblüfft hat: Nicht nur, dass ausgerechnet ein Literaturkurs(!) ganz am Schluss gleich zwei Pointen, was Narration und das Fortführen ebendieser Geschichte liefert, nein, es erzählt sie auch ganz ohne eine Personalie, die ich, aufgewachsen mit diesen Comics und nun auch Literaturwissenschaftler, bisher essentiell für diese hielt: Webb Film tilgt einfach so „Mary Jane Watson“, und die ersten zarten Bande, die „Peter“ zu „Gwen Stacy“ (alias Emma Stone) knüpfen, machen dies mit dem ersten Handstreich vergessen: Man vermisst sie auch nicht. Ein Punkt, der auch „The Dark Knight Rises“ rettet: das Zwischenmenschliche und die verhaltene, verklärende Romantik, die auch in diesem, allzu düsteren Comic-Universum noch aufscheinen: Denn „Alfreds“ (Michael Caine) Ahnen und Anmahnen (und des zu bekrittelnden Hirnriss‘ auf der einen Seite der Storyline) zum Trotz gelingt Nolan hier ein schöner Abschluss: Was vor allem an Anne Hathaways „Selina Kyle“ liegt, die alle albernen bis grausamen „Catwoman“-Inkarnationen bis dato, ungeschehen macht. Und die erst von Katie Holmes, dann von Maggie Gyllenhaal gespielte „Rachel Dawes“ ihrerseits und für „Bruce Wayne“ vergessen macht, bevor dieser mit einem großen Knall in die Rente geschickt wird. Und die Hintertür für eine Fortsetzung unter anderer Federführung mit der von Joseph Gordon-Levitt verkörperten Figur, die natürlich --- ist, nach wie vor offen steht. Applaus für: Cillian Murphys Cameo noch einmal als „Scarecrow“, der dann schon wieder perfekt in all den Hirnriss und großen Spaß, hat man diesen erst mal akzeptiert, passt.